„Na, gehts du schon brav auf Klo?“ – „Was, du wickelst immer noch?“ – „Ist er noch gar nicht sauber?“
Sätze die ich gleichzeitig unheimlich peinlich, frech und schon fast untergriffig finde. Warum ich nichts vom Sauberkeitstraining halte und warum alles seine Zeit hat.
Als ich mit 3 Jahren ein Kindergartenkind wurde, vor nunmehr fast 34 Jahren, war es wichtig, das Kinder „sauber“ sind, also selbstständig auf die Toilette gehen und keine Windel mehr brauchen. Damals war es verpflichtend, damit ein Kind überhaupt einen Kindergartenplatz bekommt. Also war es üblich, ein regelrechtes Programm zum „sauber werden“ durchzuziehen. Kinder wurden ohne Windel gelassen, damit sie sich früher der später vor ihren Ausscheidungen ekeln und merken, das man eben auf Klo gehen muss damit „das Grausliche da unten“ nicht passiert. Kinder wurden in regelmäßigen Abständen aufs Tröpfchen gesetzt, in der Hoffnung, das sie doch irgendwann ihr kleines und großes Geschäft dort platzieren. Und hinterher kräftig gelobt, wie gut sie das doch gemacht haben. Eine ganz komische Zeit eigentlich, in der man wirklich geglaubt hat, man kann es Kindern lernen und anerziehen, die Toilette zu benutzten.
Töpfchentraining? Muss das sein?
Ich bin sehr froh, das es sich im Laufe der Zeit sehr zum positiven weiterentwickelt hat, und man Kindern heute Autonomie zugesteht. Alles hat seine Zeit, wie man so schön sagt, auch die eigene Ausscheidung. Trotzdem oder leider, erlebe ich immer wieder Eltern, die zum einen fragen, ob mein Kind denn nun auch schon sauber ist, wo es doch schon 2,5 Jahre alt ist, und zum anderen mit ihren eigenen Kindern ein Töpfchentraining durchziehen. Vielleicht weil sie meinen, der Impuls muss von den Eltern kommen oder es vielleicht einfach nicht besser wissen. Oft mit dem Resultat, das die Kinder 50mal hinter einander gefragt werden ob sie nicht doch auf die Toilette müssen, oder sich ständig einnässen, was, wie wir uns alle vorstellen können, zu Tränen führt. Das finde ich total schade und richtig traurig für das Kind. Sauber werden ist einfach keine Kompetenz, die es zu üben gilt.
Sauber werden
Das Sauberwerden ist eine Sache der Reife. Seine Ausscheidungen selbst zu kontrollieren ist eine komplexer Prozess und ein Zeichen der Entwicklung eines Kindes. Der Zeitpunkt des Sauber werdens ist im Normalfall zwischen 2,5 und 4 Jahren. Ausnahmen gibt es natürlich, ich kenne auch selbst eine handvoll Kinder die schon kurz vor oder nach dem 2. Geburtstag von selbst damit begonnen haben auf die Toilette zu gehen, aber sie sind selten.
Zwischen 2,5 und 4 Jahren lernen die Kinder ihre Ausscheidungen selbst zu kontrollieren. Kinder sollten in dieser Zeit begleitet und nicht gedrängt wären, um ihr Selbstvertrauen zu stärken und sie zu unterstützen. Kinder setzten den Impuls, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, in der Regel selbst. Nach 2 großen Kindern, die ich bei diesem Entwicklungschritt begleiten durfte, kann ich das auch durchaus so bestätigen.
Je ungezwungener und natürlicher dieser Prozeß stattfinden darf desto besser für die Entwicklung des Kindes.
Sauber? Oder doch nicht?
Wenn Kinder sauber werden, bedeutet es einen grossen Entwicklungsschritt in Sachen Autonomie und Selbstständigkeit. Viele Eltern denken tatsächlich, es sei normal um den 2. Geburtstag herum ein Sauberkeitstraining zu starten weil der Impuls des Kindes fehlt.
Ich denke vor allem die eigene Unwissenheit und der Druck von außen (Großeltern, Freundinnen, Kindergarten, etc.) lassen die eigenen Ungeduld mit dem Kind wachsen.
Und doch denke ich, das es gerade die eigene Ruhe und Gelassenheit positiv beeinflussen würden, wie sich das Kind entwickelt. Und wenn dann der erste sichere Impuls des Kindes gesetzt ist, sollten wir durch Achtsamkeit unser Kind stärken. Die Erfolgserlebnisse, die es hat sehen und es bestärken, in seinem Handeln und Tun großartig zu sein.
Ich warte weiterhin auf diesen Impuls, ohne mich von unserer Umwelt drängen zu lassen. Denn ich bin mir sicher, mein Kind wird selbstständig werden, ganz von selbst, wenn die Zeit dafür reif ist.
XOXO
Michaela
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